A dystopian street scene featuring weathered concrete walls covered in bold graffiti with German words "No King", "Wahrheit", and "Sprache" spray-painted in stark white and red letters. Above the street, a menacing AI-like black box hovers with a glossy, reflective surface that seems to pulse with an ominous inner light, its geometric form appearing to consume or absorb the surrounding environment. The atmosphere is heavy with criticism and foreboding, cast in muted grays and harsh shadows broken only by the occasional flicker of artificial light. Debris and urban decay scatter the cracked asphalt below, while the imposing black box casts dark shadows over the rebellious graffiti messages.

Zwischen „führenden Anbietern“ und „Problemen im Stadtbild“ – Sprache bleibt wichtig #Wochenschau

Eine Wochenschau zwischen führenden IT-Anbietern, Problemen im Stadtbild, „No King“ und Scheißvideo sowie der Blackbox KI.

„Führender Anbieter von IT-Dienstleistungen …“

Anfangen möchte ich mit einem Zitat meines Bloggerkollegen Gunnar Sohn, der auf die Sprachverhunzung durch Kommunikationsabteilungen der Unternehmen und deren PR-Agenturen schon seit Jahrzehnten aufmerksam macht. Ein Beispiel:

„Ein weltweit führender Anbieter von IT-Dienstleistungen, Beratung und Geschäftslösungen“ – allein schon dieser Satz! Jedes Mal, wenn einer sowas schreibt, fällt irgendwo ein Stück Sprache tot um.
Und dann noch: „eine führende Plattform für intelligentes Content Management“.

Quelle: Sprachmüllverbrennung Bonn- Luke 7 – ichsagmal.com

Da hat er mich, als jemanden, der seit mehr als 25 Jahren für US-amerikanische Unternehmen arbeitet und bei dem führenden Content-Management-Anbieter tätig war, natürlich eiskalt erwischt. Nein, eher nicht: Ich habe immer gegen diese Worthülsen, Superlative und unnötigen Übertreibungen argumentiert – ohne jede Chance, ohne jeden Erfolg. Zumindest bei Corporate Communications in den USA hat man keine Chance. Ob das in Deutschland besser ist, weiß ich nicht.

Keine Publikation hat in den 25 Jahren jemals eine solche Worthülse abgedruckt oder online verwendet – es sei denn, man hat dafür bezahlt. Spart es euch einfach. Aber wie gesagt: Im Alter höre ich auf, gegen Windmühlen zu kämpfen und lächele nur noch müde. Es gibt noch wichtigere Dinge rund um die Sprache.

„Problem im Stadtbild“: Tut Merz das bewusst?

Womit ich beim zweiten Thema wäre: der unsäglichen Aussage unseres sauerländischen Kanzlers Fritze Merz zu Problemen im Stadtbild. Am vergangenen Sonntag waren wir bei Freunden eingeladen, die bei den Grünen engagiert sind. Und ja, auch sie fühlt sich manchmal abends oder nachts an der Haltestation oder in der Straßenbahn unsicher. Aber: So etwas äußert man nicht als Kanzler und Vorsitzender der CDU. Warum nicht. Dazu einige Zitate:

Friedrich Merz’ jüngste Aussage zum „Problem im Stadtbild“ spricht ein Unwohlsein an, das ich aus Gesprächen mit Bekannten kenne – ein diffuses Gefühl, das nicht automatisch mit Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit gleichzusetzen ist. … Mit solchen Formulierungen liefert der Kanzler der AfD und rechtsradikalen Kräften willkommenen Zündstoff. Statt eine sachliche Debatte über Integration oder soziale Ungleichheit zu führen, wird pauschal über „kriminelle Migranten“ und angeblich „unberechtigt“ in Deutschland lebende Menschen diskutiert. Ob Merz das bewusst tut oder nicht – diese Rhetorik eskaliert die Stimmung, statt sie zu beruhigen. Eine verantwortungsvolle Politik sollte Brücken bauen, nicht Gräben vertiefen.

Quelle: Merz‘ Problem mit dem „Stadtbild“

Belinda Grasnick bringt es in ihrer Analyse auf tagesschau.de.

Horst Schulte sieht es ähnlich:

Viele Deutsche teilen seine Beobachtungen – auch wenn Medien und Politik sich schwertun, diese Realität auszusprechen.
Man kann das Stadtbild beschreiben, ohne Menschen herabzuwürdigen. Genau das hat er getan.

Quelle: Die Wirklichkeit der Stadtbilder – Die Diskussion, die wir führen und aushalten müssen – Horst Schulte

Dass er dann nochmals zusammen mit Wende-Populisten-Hals Söder nachgelegt hat, macht es umso schlimmer. Söder mag es nicht kehren, aber er – der Merz – hat als Kanzler eine Verantwortung für die Diskussionskultur in Deutschland. Und Herr Merz sollte in die jüngere deutsche Geschichte schauen, wo auch bestimmte Gruppen, die dann nur zu oft im KZ endeten, vom damaligen Propagandaminister als in der Öffentlichkeit unerwünscht gebrandmarkt wurden. Die CDU/CSU scheint es nicht zu lernen: Ja, wir müssen die bekannten Themen angehen, aber ohne die rechtsextremen Narrative der AfD und ihrer Nazi-Freunde zu bedienen.

„No Kings“ und Shit

Viele in Deutschland und Europa haben sich darüber gewundert, warum wir so wenig über Proteste in den USA gegen Trump hören. Nun hat es am Samstag eine beeindruckende Demonstration in vielen US-amerikanischen Groß- und Kleinstädten unter dem Motto „No Kings“ gegeben. Nach Schätzungen waren sieben Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner auf der Straße. Das macht mir Hoffnung.

Vielleicht zu erwarten, aber was mich trotzdem schockiert, ist die Reaktion von Trump, der in einem KI-generierten Video als gekrönter Pilot im Kampfjet die Demonstrierenden mit Scheiße bombardiert. Geschmacklos, trumpesk, ja, aber es geht auch wieder Sprache, Bildsprache und Kultur, wie man miteinander umgeht und streitet. Ich zitiere aus dem hörenswerten „Ok, America?“-Podcast der Zeit:

Er will nicht, dass Menschen in einer Demokratie ist das so, ihm widersprechen, eine andere Meinung haben, dafür auf die Straße gehen, ihn abzuwählen, sondern er will offensichtlich Untertanen. Und die eine Seite des Landes oder diejenigen, die ihn gewählt haben, sicherlich nicht alle, aber viele davon und alle auch in seinem Kabinett, alle, die loyal sich um ihn scharen, die haben sich ihm untertan gemacht und alle die, die es nicht tun, die werden dann auch mit AI generierten Videos mit Exkrementen überworfen.
Und das ist des Amtes aus meiner Sicht nicht würdig. Man kann Kritik üben, aber nicht so.

Quelle OK, America?: König Donald I. gegen sein Volk, 23. Okt. 2025

Ich drücke den demokratisch gesinnten Amerikanerinnen und Amerikanern, vielen meiner Freunde und Bekannten drüben, die Daumen, dass diejenigen, denen die US-Verfassung heilig ist, stärker werden, eine kritische Masse erreichen und sich gegen diese unsäglichen, undemokratischen, gewalttätigen und geschmacklosen Tendenzen durchsetzen. Hoffentlich!

Kaum einer versteht, warum die KI was antwortet

Ok, wie schlage ich jetzt die Brücke zum letzten Thema dieser Wochenschau? Am gestrigen Donnerstag war ich bei deiner Veranstaltung des IT-Analystenhauses PAC in Frankfurt. Und natürlich stand Künstliche Intelligenz und das neueste Buzzword „Agent AI“ im Mittelpunkt. Einer der Analysten bemerkte, dass nur ganz wenige, nur mathematisch talentierte und hochgebildete Wissenschaftler (vielleicht) verstehen, warum eine KI (besser ein Large Language Model) eine bestimmte Antwort gibt.

Man steht nun als Unternehmen vor der Herausforderung, dass man seine Informationen (oder „Werbung“) so aufbereiten muss, dass die KIs dieser Welt diese bevorzugt aufgreifen. Das, was einmal SEO, Suchmaschinenoptimierung, geleistet hat, muss nun LLM-Optimierung leisten. Nur scheint noch keiner so richtig zu wissen, wie das geht.

Ralf Heimann spricht im Altpapier von „Suchtmaschinenoptimierung“ und bringt das mit Blick auf die Medien wie folgt auf den Punkt:

Die Blackbox wird dunkler. Die Antwort der Künstlichen Intelligenz ist ein Produkt aus Entscheidungen und Prozessen, die von außen nicht sichtbar sind. Wenn Google oder OpenAI festlegen, welche Quellen gewichtet, welche Stimmen gehört und welche weggelassen werden, verschiebt sich die Macht, Themen und Deutungen zu setzen. Anders gesagt: Redaktionelle Medien verlieren Macht, die Plattformen gewinnen. 

Wissen wird nicht mehr erarbeitet, sondern serviert; nicht mehr geprüft, sondern womöglich einfach gefühlt. Und wo Wissen nur noch gefühlt wird, da müssen die Informationen nicht mehr stimmen, da können die Menschen, in deren Händen sich die Plattformen befinden, ihre eigene gefühlt stimmige Wahrheit unter die Leute bringen. 

Quelle: Kolumne: Das Altpapier am 16. Oktober 2025 – Suchtmaschinen-Optimierung | MDR.DE

Die Manipulation oder Befriedigung der LLMs durch Suchmaschinenoptimierung ist ein Thema. Das andere Thema sind die Algorithmen der unsozialen Medien, die auch KI-generierte Inhalte bevorzugen, die Emotionen wecken, die provozieren und polarisieren. Und schon sind wir wieder bei der Sprache, der Bildsprache oder der gesprochenen Sprache und dem, was wir darüber in welcher Form transportieren.

Achtsam morden, nein achtsam sein, gerade auch bei Sprache

Ich wünsche mir als Demokrat, dass wir bei aller notwendigen Schärfe und Klarheit, die wir gegen Extremisten und Rechtsradikale brauchen, einen gewissen Standard an Anstand, Sprachgefühl und Streitkultur einhalten, auch wenn es manchmal schwerfällt. Wer Demokratie verteidigen will, darf sich sprachlich nicht denjenigen annähern, die sie abschaffen wollen.

Das 60-Sekundenvideo zum Blogbeitrag – veröffentlicht auf YouTube, TikTok und Instagram

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