Raus aus der Blase: Kann es noch einen Diskursraum für Demokraten im Netz geben?

Das soziale Netzwerk, wo ich mich noch einigermaßen wohl fühle, ist Mastodon beziehungsweise ist das Fediverse. Aber das soll keine Artikel zu den verschiedenen sozialen Netzwerken werden. Das diskutiere ich gerne an anderer Stelle. Warum diese Einleitung?

Am 10. Januar wird meine Timeline auf Mastodon mit einem Thema geflutet: Der Recherche von Correctiv über das Treffen hochrangiger AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarker Unternehmer im November in einem Hotel bei Potsdam, auf dem die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland diskutiert wurde. Ein Treffen wenige Kilometer entfernt von dem Ort, an dem die Wannsee-Konferenz stattfand.

Gut, dass diese Recherche immer wieder von den Menschen auf Mastodon aufgegriffen wird. Gut, dass Tagesschau, ZDF, FAZ, taz und viele, viele andere Medien jenseits von Mastodon über die Recherche berichten. Hoffentlich wird der Bericht an unzähligen anderen Stellen verteilt, damit möglichst Vielen ein Licht aufgeht, mit was für einem Nazigesocks wir es unterdessen zu tun haben.

Mastodon: Wo sind die Entscheider und Multiplikatoren?

Mir geht es aber hier um ein anderes Thema. Michael Seemann hat es auf den Punkt gebracht: „Das Problem an Mastodon ist, dass wir hier nur untereinander quatschen. Es gibt hier kaum Entscheider und wenig Multiplikatoren.“ Er trauert Twitter hinterher, aber der Zug ist endgültig in eine Richtung abgefahren, den sehr viele nicht wollten.

Mir geht es um, dass wir uns in Mastodon in einer grün-linken-linksliberalen-nerdigen Blase bewegen. Ich erkenne das in meiner Timeline oder anhand meiner Liste „Meine News“, in der ich mir besonders wichtige Mastodon-Konten sammele. Bei allen Unterschieden bestätigen sich im Grunde genommen die Mitglieder der Blase immer wieder, eine konstruktive Diskussion und Auseinandersetzung mit anders Denkenden findet wenig statt. Gefühlt hält nur der wackere Ruprecht Polenz die etwas konservativere Fahne hoch.

Mastodon: Wo sind die konservativen und liberalen Demokraten?

Oder wie formuliert es Thomas Dugaro: „Wer kennt konservative oder liberale (oder beides) Accounts mit beiden Beinen fest in der Demokratie, denen man folgen könnte? Gerne auch Politiker:innen oder Journalist:innen. Ich brauche mehr Reibung. Mir ist das hier immer noch zu einseitig. Wenn sich alle einig sind, kommen wir ja nicht voran.“

Die Politikerinnen und Politiker, viele Medien, viele Journalistinnen und Journalisten (gerade die eher konservativer Couleur) sind nicht auf Mastodon und im Fediverse, verharren teilweise wie gelähmt auf Twitter, sind mal prophylaktisch auf Threads aufgesprungen oder schweigen nur noch.

„Nur im Fediverse schimpfen, bringt nichts“, so Prof. Dr. Trepurine. Nicht falsch verstehen: Ich möchte keine rechten Schwurbler und Spinner in meiner Timeline und im Fediverse. Die würde ich eh blockieren. Ich glaube aber, dass es gerade jetzt einen öffentlichen Diskursraum der Demokraten braucht, wo hart diskutiert und mit Anstand und Stil gestritten werden kann.

So wohl ich mich dort fühle: Das Fediverse ist es noch nicht. Vielleicht wird es ja noch was, sollte die Idee eines offenen Protokolls für soziale Netzwerke wirklich aufgehen. Oder ist ein solcher Anspruch an Social Networking eh von gestern, Spinnerei und Träumerei, und wir bleiben alle in unseren Bubbles und abgetrennten Communities?

Das Titelbild wurde – wie unschwer zu erkennen ist – mit einer KI erstellt. Wieder war es Ideogram.ai, das ich verwendet und gebeten habe, Leute in einer Blase zu zeigen, die mit dem Daumen nach oben zeigen.

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