Markus und die Blogosphäre, TikTok und das literarische Quartett plus Lesezeichen

Wochenschau links breit

„Aufmachen“ möchte ich die Wochenschau mit einem Dankeschön an Markus Beckedahl, der den Blog, die Plattform netzpolitik.org zum Leitmedium der deutschen Blogosphäre und einen guten Teil dazu beigetragen hat, dass Blogs und Bloggen „hoffähig“ wurden. Markus wagt einen Neustart und ich wünsche ihm viel Glück. Er hat einen emotionalen „Abschiedsbrief“ auf netzpolitik.org veröffentlicht und unter anderem steht darin: „Einen Teil meiner Zeit werde ich weiterhin für die re:publica einsetzen und sie als einen zentralen Ort für die Debatte über die digitale Gesellschaft ausbauen.“

Markus ist Mitgründer der republica, lange Jahre das jährliche Klassentreffen der Blogger, unterdessen sicherlich deutlich mehr. Die republica war eine meiner Lieblingsveranstaltungen, auf der ich versucht habe, eine Brücke zwischen IT-Wirtschaft und Bloggerszene zu schlagen. Dazu gibt es ja einige Berichte hier im Blog. Durch Corona und Krankheit, aber auch dadurch, dass die republica sehr groß und thematisch breit geworden ist, habe ich leider etwas den Kontakt verloren, denke aber gerne an die Zusammenarbeit mit Andreas, Pia, Klemens und vielen anderen Protagonisten der republica zurück.

Danke, Markus, auch für die Förderung der Blogosphäre … und die republica

Das Team von netzpolitik.org dankt Markus in einem bemerkenswerten Artikel, in dem das Selbstverständnis des Bloggens aufgearbeitet wird:

„Durch das Bloggen entwickelte sich ein ganz anderes Verständnis von Journalismus: Natürlich werden alle Quellen referenziert und alles verlinkt, was zum tieferen Verständnis beiträgt…. Leser:innen sind ebenbürtig und gleichberechtigt im Informationsinteresse – kein Klickvieh, das man leiten muss und dem man die Informationen, die einem vorliegen, scheibchenweise verkauft.“

Quelle: Abschied: Danke, Markus!

Diese Herangehensweise hat auch mein Schreiben in den vergangenen Jahren geprägt. Natürlich verlinkt man, selbstverständlich sind die Texte in der Blogosphäre erst mal kostenlos und man kann, wenn man möchte, den oder die Autoren finanziell unterstützen. Und Blogs sind per se erst einmal subjektiv, was aber nicht heißt, dass man nicht faktenbasiert arbeitet. Man suggeriert nicht, dass man objektiv und neutral ist, wie es viele konventionelle journalistisch Plattformen tun.

Natürlich kann heute die Frage stellen, wie lebendig die Blogosphäre noch ist und ob nicht andere Formate unterdessen die Diskussion und die Meinungsbildung viel mehr beherrschen. Und dann sind wir natürlich ganz schnell bei TikTok, das ganz offensichtlich neben Insta das Informationsmedium der jungen Leute ist. Es vergeht unterdessen keine Woche, in der es nicht einige relevante Berichte und Kommentare zu TikTok gibt, was sich auch unterdessen in meiner Wochenschau widerspiegelt.

Das neue literarische Quartett findet also auf TikTok statt?

In den USA wollen Republikaner und Demokraten die Abspaltung der Videoplattform von ihrem chinesischen Mutterkonzern erzwingen. Besonders einer ist jetzt dagegen, der noch vor Jahren selbst tönte, TikTok verbieten zu wollen: Donald Trump, aber den interessiert sein Geschwätz von gestern eh nicht.

Aber hat TikTok vielleicht eh den Zenit des Wachstums überschritten und spielt die Musik unterdessen auf Instagram, wie ich schon vergangene Wioche referenziert habe? Dann wäre es dem Meta-Konzern gelungen, mit den Instagram Reels Kurzvideos gelungen, TikTok zu kopieren. Das Konzept kennen wir ja schon gerade von Herrn Zuckerberg.

Doch ich glaube, dass TikTok einmal weiter eine wichtige Rolle spielen wird. Noch dominieren die Lautsprecher der AfD die Plattform, aber es gibt ersten Gegenwind. Nein, ich spreche primär nicht von den etablierten Parteien und Politikern, die zunehmend auch Präsenz auf TikTok zeigen wollen, vielleicht müssen? Ich beziehe mich auf Berichte aus Der Spiegel (€) und ZDF heute, dass sich mehr Nutzerinnen und Nutzer wehren und mit ihren Kurzvideos Stellung beziehen.

Erstaunlich und bemerkenswert fand ich den Leitartikel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung „Die Rückkehr des Lesens“ vom 16. März 2024 (online hinter Paywall hier). Darin geht es das junge Leute Bücher wieder entdecken und diese teilen: „Apps wie TikTok und Instagram sind längst zu Plattformen der Litertaturvermittlung geworden.“ Lesen werde wie eine Party gefeiert, unter dem Hashtag Booktok seien bereits 19,7 Millionen Beiträge weltweit geteilt worden. Mal ein anderer Blick auf die viel gescholtenen sozialen Medien. Das neue literarische Quartett findet also auf TikTok statt?

Lesezeichen zum Thema AfD, Populismus und Erinnerung an damals

Zum Abschluss der Hinweis auf einige wertvolle Beiträge rund um das Thema Rechtsextremismus und AfD. Die Sprüchewiederholer und Wähler der AfD wohnen nur oft nebenan, wie ich leidvoll feststellen musste. Dr. Christian Scharun schreibt in der Terra-X-Wissenskolume darüber, wie Populisten uns manipulieren.

„Heutzutage schwärmen Populisten oftmals von der Rückkehr zu einer romantisch überhöhten Vergangenheit, aus der nun unerwünschte kulturelle, religiöse, soziale oder sprachliche Feindbilder ausgeschlossen werden sollen. Aus einem „Wir sind das Volk“ wird ein exkludierendes „Nur wir sind das Volk“. Populismus richtet sich also nicht nur gegen eine abgegrenzte Elite, sondern schließt auch Diversität und Vielfalt aus.“

Quelle: Wie Populisten uns manipulieren | Terra-X-Kolumne – ZDFheute

Scharun warnt in seinem Beitrag vor denjenigen, die radikale, einfache Lösungen versprechen:

„Populistische Führungsfiguren gibt es quer durch das politische Spektrum. Egal ob sie Hubert Aiwanger (Freie Wähler) oder Friedrich Merz (CDU), Sarah Wagenknecht (BSW) oder Alice Weidel (AfD) heißen, meist versprechen sie radikale Lösungen für komplexe Probleme.
Gezielte Tabubrüche und Provokationen gehören dabei ebenso zur populistischen Agitation wie das Schüren von Angst und Hass.“

Sehr lesenswert das Gespräch in der Berliner Zeitung (€), wo der Soziologe Philipp Reim die Wählerschaft der AfD und deren Einstellung skizziert:

„Weil solche Leute kein positives Bild für die Zukunft haben. Da ist eine Art Zukunftsverschlossenheit. Sie haben ihre Identität verloren, sie fühlen sich ihrer weißen, deutschen Privilegien beraubt, … Ihre Welt ist aus den Fugen, ihre Normalität ist zerstört durch Individualisierung und Globalisierung, durch Migration, Emanzipation oder die „radikalen“ Forderungen der Klimabewegung.“

Quelle: Soziologe erklärt AfD-Gewinne: „Ostdeutsche wurden als Schmuddelkinder dargestellt“

Berührend auch der Beitrag von Gerd Scobel, der in der Terra-X-Wissenskolume unter dem Titel „Nie wieder ist jetzt“ auf Auschwitz zurückblickt und uns alle in die Pflicht nimmt:

Ziel der Rechtsextremen ist es, Demokratien, die durchaus eine Reihe von behebbaren Problemen und Schwächen haben, endgültig zu zerlegen und auszuschalten.Das neue Paradies sollte damals nach einer im Geheimen geplanten Durchgangsphase des Terrors entstehen, von der niemand wusste, wie lange sie dauern würde. Die brutale Umsetzung dauerte über ein Jahrzehnt und Millionen Menschen bezahlten mit ihrem Leben: bis Auschwitz am 27. Januar 1945 befreit wurde.Heute rechtsradikal zu sein, bedeutet nicht, neue Probleme gemeinsam zu lösen, sondern Unmenschlichkeit wiederholen zu wollen. Dagegen müssen wir aufstehen.

Quelle: Nie wieder ist jetzt | Terra-X-Kolumne – ZDFheute

Zum Ende schlage ich die Brücke zurück zum Journalismus. Annika Schneider fordert darauf, die Ziele und Verfehlungen der AfD ganz konkret zu benennen. Es braucht Beispiele und es gibt genug Beispiele, wo Mitglieder der AfD rechtsextreme Forderungen aussprechen:

„Eine alte Regel zum journalistischen Schreiben lautet „Show, don’t“ tell und meint, dass szenische Beschreibungen besser funktionieren als reine Erklärungen. Etwas abgewandelt gilt das auch für alle, die über die AfD schreiben: Zu behaupten, dass sie gefährlich für die Demokratie ist, reicht nicht.“

Quelle: Kolumne: Das Altpapier am 13. März 2024 – Lieblingsquelle Verfassungsschutz | MDR.DE

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