Zero Trust darf nicht zu Zero Zusammenarbeit führen

Die heutige Geschäftswelt sieht sich den Herausforderungen gegenüber, die wir alle wahrnehmen: Corona-Krise, Ukraine-Krieg und Klimawandel, um nur die wichtigsten Faktoren zu nennen. Damit einher gehen Unsicherheit angesichts von Hackerangriffen auf  Regierungen, Verwaltungen und Unternehmen. Vielleicht erstmals nimmt eine breitere Öffentlichkeit das wahr, was als kritische Infrastruktur bezeichnet wird. Kritische Infrastruktur, das sind beispielsweise Energieversorgung und Gesundheitswesen, Kraftwerke und Kliniken, Ministerien oder auch die Verteidigungskräfte, um nur einige Bestandteile dieser Infrastruktur zu nennen.

Die beschriebenen Ereignisse – Ukraine-Krieg, Hackerangriffe und insbesondere die Pandemie – haben auch großen Einfluss auf Kollaboration und Kommunikation in und zwischen Unternehmen. Was bedeutet es für die Zusammenarbeit, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterdessen sowohl im Homeoffice als auch in Büros sitzen und miteinander kommunizieren?

Wie werden jetzt Produkte entwickelt, Ideen ausgetauscht und Prozesse möglichst optimal abgewickelt? Wie kommt es angesichts von Homeoffice zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl und zu Loyalität zum Unternehmen? Und angesichts der ständig stattfindenden Hackerangriffe müssen die Mitarbeitenden besonders vorsichtig sein, beispielsweise beim Öffnen von E-Mails und Dateien. Zu viele Unternehmen und Verwaltungen wurden bereits erfolgreich angegriffen.

Angesichts der gerade beschriebenen Herausforderungen wird aber auch deutlich, wie unverzichtbar eine funktionierende, sichere Kommunikation und Zusammenarbeit in nahezu allen Geschäftsbereichen gerade in diesen Zeiten ist. Welche Beobachtungen und Erfahrungen habe ich in den letzten Monaten gemacht? Welche Trends in Kommunikation und Kollaboration habe ich beobachtet?

Dieser Beitrag ist leicht veränderten Versionen auf dem CIOKurator und bei ReWorked in englischer Sprache erschienen. Diese Version in meinem persönlichen Blog enthält noch einige zusätzliche Meinungsäußerungen.

E-Mail und Messenger leben ab sofort nebeneinander

E-Mail lebt weiter als der größte gemeinsame Nenner in der Kommunikation gerade auch in der Kommunikation mit Externen, zwischen Unternehmen. Doch E-Mails sind und bleiben auch ein beliebtes Einfallstor für Angreifer, da die Nachrichten gefährliche Links oder infizierte Dateien enthalten können. Nicht wenige Sicherheitsvorfälle der vergangenen Monate sind auf infizierte E-Mails zurückzuführen. Ein Klick auf einen Link, eine geöffnete Datei, die einen Virus enthält …

Es ist extrem wichtig, dass Unternehmen und Verwaltungen entsprechende Schutzmechanismen ergriffen und leistungsfähige Security-Software implementiert haben, vor allem aber ihre Mitarbeitenden für die Gefahren sensibilisieren und sie immer wieder ausbilden. Hier kann man nicht genug tun.

Neben E-Mail, teilweise E-Mail ersetzend, gewinnen Lösungen zur Echtzeitkommunikation wie Slack oder Microsoft Teams gerade durch die Pandemie stark an Bedeutung. Chats, Videotelefonate oder Video-Meetings gehören jetzt zum Alltag, können wegen ihrer Unmittelbarkeit und Geschwindigkeit in bestimmten Situationen unverzichtbar sein. Doch müssen die Mitarbeitenden unter Sicherheitsaspekten auch hier vorsichtig sein, denn über diese Tools wird auch zwischen Unternehmen kommuniziert. Die Vorsichtsmassnahmen, die man bei E-Mails ergreift, müssen auch für die neuen Dienste gelten, mit denen auch Links und Dateien ausgetauscht werden.

Der Erfolg von Teams und Slack führt nicht nur bei mir dazu, dass ich oft nicht mehr weiß, über welches Thema ich mich in welchem Kommunikationskanal ausgetauscht habe. Was steht in den E-Mails? Was im in Microsoft Teams oder Slack? Und leider ist eine funktionierende Enterprise Search, die Möglichkeit in allen Informationsquellen in einem Suchvorgang Informationen zu finden, noch immer eine unerfüllte Vision. Dabei geht durch die Sucherei dermaßen viel Zeit und Produktivität verloren. Dabei ist gerade heutzutage der schnelle Zugriff auf Wissen und Informationen extrem wichtig.

Wider der Flüchtigkeit von Informationen: Das Intranet als zuverlässige Informationsquelle

In den vergangenen Monaten musste ich in der Praxis feststellen, wie flüchtig Informationen in Slack oder Teams sind. Die Tools haben natürlich Suchfunktionen, sind aber für Kommunikation und für Dialog und nicht die Verwaltung von Informationen gemacht. Vielleicht ist dies ja auch der Grund, warum Teams und SharePoint direkt miteinander integriert hat. Jedes Team hat automatisch auch eine SharePoint-Instanz, in der Dateien und Dokumente gespeichert werden. Weitere Werkzeuge zur Informationsbereitstellung und –aufbereitung wie OneNote stehen zusätzlich zur Verfügung.

Was lernen wir daraus? Das alte Dokumentenmanagement-Herz schlägt höher. Content-Repositories, Wikis und Intranets bleiben als zentrale Quellen und Nachschlagewerke unverzichtbar. Das bedeutet natürlich auch, dass man ein Konzept haben muss, was wo gespeichert wird. Ohne ein solches Konzept kommt es beispielsweise zum Wildwuchs an SharePoint-Bibliotheken. wo keiner mehr weiß, wo eigentlich was abgelegt wird, ein Problem, das viele Unternehmen kennen, das auch ich schon vorher mit Notes-Datenbanken und Connections-Communities leidvoll erlebt habe. Daneben braucht es eine definierte Strategie, wie Informationen kommuniziert werden: Welche Informationen sollen sich Anwenderinnen und Anwender bei Bedarf holen können (Pull-Prinzip)? Welche Informationen müssen ihn aktiv per Push-Prinzip über welche Kanäle (E-Mail. Messenger) geschickt werden?

Jedes Meeting braucht Agenda, Moderation, Ergebnisprotokoll

Nach der Diskussion rund um die ganzen Tools, landen wir jetzt bei eher weichen Faktoren, die aber nach meiner Beobachtung mindestens ebenso wichtig und kritisch sind. Durch Corona und das Homeoffice sind wir endgültig im Zeitalter der Videokonferenzen und -telefonate gelandet. Noch nie haben so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Online-Meetings miteinander kommuniziert Doch jenseits der Technik und verwendeten Werkzeuge bleibt die größte Herausforderung. Meist fehlt es an der Meeting-Kultur. Viele Meetings werden schnell zu Zeitverschwendung, da es keine Agenda , keine stringente Moderation und kein Ergebnisprotokoll gibt.

Die Meetingpest ist meiner Ansicht nach eine der größten Herausforderungen von Unternehmen. Gerade deshalb sollte jeder den Mut haben, die Notwendigkeit und das Ziel von Meetings immer wieder kritisch zu hinterfragen – und gegebenenfalls nicht teilnehmen. Ich habe mich diesbezüglich ja schon sehr deutlich geäußert und mich dabei als Multitasker geoutet, als jemand der während der Online-Meetings andere Dinge macht.

Das, was für Online-Meetings gilt, gilt natürlich ebenso für Präsenzmeetings. Agenda, Moderation, Protokoll, Disziplin sind dort ebenso gefragt. Nebenbei auf dem Smartphone oder am Rechner arbeiten ist gelinde gesagt unhöflich. Gerade jetzt wird die Diskussion um Präsenz-und Online-Meetings sehr aktiv und kontrovers geführt. Nur zu oft höre ich beispielsweise, dass man in Online-Meetings nicht kreativ sein könne. Ich bin der Meinung, dass man solche Aussagen nicht pauschal treffen kann. In vielen verteilt sitzenden Unternehmen gibt es gar keine Alternative zu Online-Meetings und dort – habe ich gehört – soll man durchaus auch erfolgreich und kreativ sein.

Präsenz-Meetings haben ihre Berechtigung und sind aus meiner Sicht dann besonders wertvoll, wenn es um den aktiven Austausch, die Entwicklung oder Weiterentwicklung von Ideen geht. Da kann man oft produktiver sein, wenn man zusammen in einem Raum sitzt. Besser nicht sitzt. Ich bin ein Freund von Boards und Bewegung im Raum (damit niemand eindöst) und denke gerne beispielsweise an die Design Thinking-Workshops mit meinem ehemaligen Kollegen Gerhard Pfau zurück..

Ins Büro gehen, um an Videokonferenzen teilzunehmen?

Der Weg zurück in die Büros ist besonders unter dem Aspekt der persönlichen Interaktion und Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitenden wichtig. Sicher können bei manchen Vorgesetzten andere Motivation eine Rolle spielen. Gar mancher ist doch gerne ein Controletti. Ein Zurück ins Büro, gar eine Anwesenheitspflicht im Büro macht aber nur dann Sinn, wenn dort auch aktiv miteinander kommuniziert und gearbeitet wird. Nur sitzen nach meiner Beobachtung viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihrem Schreibtisch und sind in Telefon- und Videokonferenzen – und das den größten Teil des Tages. Was soll dann die Präsenz im Büro?

Wer ins Büro will, der sollte das können. Und natürlich macht Büro Sinn, wenn daheim nicht die Infrastruktur, notwendige Ruhe und Umgebung für Homeoffice vorhanden ist. Auch spielen selbstverständlich soziale Aspekte, Team-Building und Zusammengehörigkeitsgefühl eine wichtige, nicht zu vernachlässigende Rolle. Und ja, auch die Kantine und das gemeinsame Mittagessen ist ein akzeptabler Grund. Kurz gefasst: Die Zeiten in den Büros bitte aktiv für die direkte Zusammenarbeit, Interaktion und Kommunikation nutzen, hybride Arbeitsplatzmodelle entwickeln. Vielleicht klappt es ja dann, auch Konzernzentralen zu Horten der Vitalität zu entwickeln.

Doch machen wir uns nichts vor: Viele Büros und ihre Ausstattung werden sich ändern müssen. Großraumbüros mit Shared-Desk-Konzepten sind meiner Meinung nach der Tod jeder konstruktiven Zusammenarbeit. Sie sind für Produktionsarbeiter im Büro gemacht, für Personen, die immer wiederkehrende standardisierte Arbeiten erledigen. Sie sind nicht für konstruktive Zusammen- uns Projektarbeit gemacht. Mit Schaudern denke ich an die Cubicals in amerikanischen Offices.

Nicht umsonst haben schon vor Corona Unternehmen ihre Projekt- und Kreativteams in Co-Working-Spaces geschickt, weil dort die Ausstattung und Umgebung für Zusammenarbeit gegeben ist. Und nebenbei: Dort sind auch meistens auch Plätze zur sozialen Interaktion mitgedacht. Generell glaube ich, dass hybriden Arbeitsplatzmodellen die Zukunft gehören wird. 2 Tage im Büro zu gemeinsamer Projektarbeit und zu produktiven Meetings, 3 Tage daheim für andere Arbeiten wie Research, Dokumentation und anderen Dingen. Welche Mischung auch immer jeweils Sinn für das Unternehmen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter macht. Verordnete Präsenzpflicht wird, wie es einige Unternehmensführer versuchen, sind im Endeffekt kontraproduktiv und führen zu unzufriedenen Mitarbeitenden. Das Rad kann nicht mehr zurückgedreht werden.

Büros als Ort der Zusammenarbeit und des sozialen Miteinanders

Jenseits von Schreibtischen und Co-Working-Spaces hat ein anderer Aspekt höchste Priorität: Zusammen arbeiten muss von Mitarbeitenden und Führungskräften gewollt sein und vorgelebt werden. Dabei kommt sicherlich den Führungskräften eine besondere Vorbildfunktion zu. Sie sind diejenigen, die Kollaboration treiben und fördern, die transparent kommunizieren und den sozialen Aspekt der Arbeit im Fokus behalten müssen. Wer Zusammengehörigkeitsgefühl und Motivation vermisst, muss sich fragen lassen, was sie oder er dafür aktiv tun. Command-and-Control-Führung führt im Endeffekt nicht zu mehr Erfolg. Davon bin ich überzeugt.

Wir haben in den vergangenen Monaten einen Schub in der Nutzung von Collaborations-Werkzeugen erlebt. Messenger und Videokonferenzen hatten einen entscheidenden Durchbruch. Doch sind alte Leiden in der Zusammenarbeit geblieben: Dateianhänge, keine gemeinsame Dokumentenablage und vieles mehr. Aber gerade Pandemie und Homeoffice haben hoffentlich bei Mitarbeitenden und Führungskräften das Bewusstsein geschärft, wie Zusammenarbeit funktionieren kann und sollte. Mit einem „einfach zurück ins Büro“ und „wir arbeiten wie früher“ wird es nicht getan sein, denn viele werden das so nicht mehr akzeptieren.

Zero Trust darf nicht zu Zero Zusammenarbeit führen

Wie wichtig Security ist, wird in diesem Beitrag an verschiedenen Stellen angesprochen. Hacker-Angriffe, Erpressungen, Spionage oder Ransomware haben zu Recht zu einer höheren Sensibilität geführt und Unternehmen ziehen die Zügel auf Betreiben des CIOs und der Security-Verantwortlichen an. Zero Trust, also Null Vertrauen, immer wieder einloggen, Zwei-Faktor-Authentifizierung wird postuliert. Das kann durchaus die Mitarbeitenden nerven und auch Zusammenarbeit behindern.

Doch Zero Trust darf nicht zu Zero Zusammenarbeit führen. Hier gilt es immer wieder die notwendige Sicherheit einerseits und produktive Kommunikation und Kollaboration andererseits auszubalancieren. Dabei muss der reibungslose Betrieb der Infrastruktur unter Berücksichtigung von Sicherheit, auch von Compliance-Anforderungen immer sichergestellt sein. Die digitalen Workplace-Services müssen einfach funktionieren. Sie sind missionskritisch.

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