Die Digitalthemen bei #9vor9: Der Medienstaatsvertrag und Datenschutz rund um die Corona Warn App und das Gesundheitswesen

Unsere Digitalthemen in dieser Sendung: Lars hat den Medienstaatsvertrag auf der Agenda, der – längst überfällig – den alten Rundfunkstaatsvertrag ablöst. Hier wird unter anderem die Verantwortlichkeit von Medien wie etwa Online-Streamingdiensten geregelt. Der Medienstaatsvertrag richtet sich vor allem an so genannte „Medienintermediäre“ wie Facebook oder Google, die Inhalte weiter verbreiten. Die müssen jetzt Inhalte gemäß der geltenden journalistischen Grundsätze auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Geklärt ist nun auch, ob und wann Streamer eine Rundfunklizenz benötigen. Demzufolge brauchen Streams, die der Meinungsbildung dienen und mehr als 20.000 gleichzeitige Nutzer über einen durchschnittlichen Zeitraum von 6 Monaten haben eine Rundfunklizenz. Weitere Details wie die Angabe eines inhaltlich Verantwortlichen oder zur journalistischen Sorgfaltspflicht auf Webseiten findet man hier.

Konkurrenz zum geplanten EU Digital Services Act?

Zur Lektüre empfohlen: Dieser Beitrag von der FAZ, der auf Vorbehalte der EU-Kommission wegen des geplanten Digital Services Act eingeht und den Medienstaatsvertrag als nationalen Alleingang rügt. Auch netzpolitik.org spricht von einer nationalen Extrawurst. Rechtsanwalt Jan Kalbhenn schreibt dagegen im Social Media Watchblog (kostenpflichtig) von einer europa- und weltweiten Vorreiterrolle und auch unser Lars haben den Vertrag eher begrüßt.

„Mein“ Thema der Woche ist einmal mehr Datenschutz, diesmal im Zusammenhang mit der Corona Warn App und der elektronischen Patientenakte. Von vielen Politikern, beispielweise Winfried Kretschmann und Markus Söder, hört man dieser Tage die Forderung, den Datenschutz in und rund um die Corona Warn App aufzuweichen, damit diese einen höheren Wirkungsgrad in der Pandemiebekämpfung erziele. Ein Argumentationsstrang, den man dabei oft hört (und der mich etwas erregt): Bürger:innen gäben ihre Daten ja auch einfach so an Facebook, Google, Amazon und Co. Dann könnten sie diese auch für den quasi guten Zweck der Pandemiebekämpfung zur Verfügung stellen. Ein bisschen einfach, diese Pseudoargumentation.

Google und Facebook haben meine Daten – warum nicht auch die Corona Warn App?

Viele Datenschützer halten natürlich dagegen. Der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar weist darauf hin, wie wichtig das Thema Datenschutz für die Akzeptanz von Corona Warn Apps sei. Hier verzeichne die deutsche Lösung die höchsten Download-Zahlen.

Unterdessen hat auch der aktuelle Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber erneut in diese Kerbe geschlagen. Er schreibt von einer steilen These, die meist nicht belegt sei. Corona-Bekämpfungsmaßnahmen gelängen nur dann, wenn ein ausreichend großer Teil der Bevölkerung sie freiwillig akzeptierten. Datenschutz erzeuge das notwendige Vertrauen in die Maßnahmen.

Apropos Vertrauen: Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat gerade untersucht, was Deutsche, Schweizer und Österreicher daran hindert, die jeweiligen Apps zu installieren. Demzufolge haben 31 Prozent der Deutschen trotz besagten Datenschutzes immer noch genau dort Bedenken. Und 21 Prozent der Befragten fürchten Überwachung. Weitere Details hier auf heise online.

Peter Schaar weist in seinem Beitrag – wie viele andere – auf mögliche und notwendige Erweiterungen der deutschen Corona Warn App wie einer besseren Erkennung von Infektionsclustern und das Versenden entsprechender Warnungen an Nutzer, der tieferen Integration in die Test-Infrastrukturen oder auch der Möglichkeit, freiwillig ein Kontakttagebuch zu führen. Den Vorschlag, einfache Armbänder zu entwickeln, die die Funktionalität der Corona Warn App auch Personen, die kein Smartphone haben. zur Verfügung stellt, finde ich übrigens sehr charmant. Fragt sich nur, wie kurzfristig das ginge.

Ist Datenschutz immer absolut oder kann es Zwischenschritte geben?

Kann und sollte man bei der Corona Warn App eine klare Haltung bezüglich des notwendigen Datenschutzes haben, so stellt sich mir diese Frage beim Thema der elektronischen Patientenakte anders. Die Akte soll ja jetzt zum 1. Januar 2021 für alle gesetzlich Versicherten eingeführt werden. Jedoch haben hier Datenschützer wie Ulrich Kelber Bedenken. Er warnt vor der Version 1.1. der elektronischen Patientenakte, die nicht DSGVO-konform sei. Erst die Version 2.0, die für Anfang 2022 geplant ist, soll dann den notwendigen umfassenden Datenschutz auch für potentiell stigmatisierende Informationen bieten. Im Beitrag von heise online wird gemunkelt, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte dier Version 1.1. stoppen könnte.

Und genau hier bin ich gespalten, gerade auch aus meiner Perspektive als Patient, der erlebt hat, wie heute noch immer Informationen zwischen Ärzten und Krankenhäusern ausgetauscht werden: per Fax, Telefon und DVD. Hier sei auch nochmals auf den Podcast des Handelsblattes mit Dr. Jens Baas verwiesen. In habe ich deshalb auch die Frage gestellt, ob man trotz der Bedenken die Pateintenakte genehmigen und nutzen solle mit dem klaren Versprechen, dass zum 1.1.2022 der umfassende Datenschutz realisiert wird. Darf man also die elektronische Patientenakte (ePA) quasi als bundesweiten Feldtest betreiben, wohl wissentlich, dass es noch Schwächen gibt?

Ich möchte eine elektronische Patientenakte, damit ich besser behandelt werde

Ich bin hier bei TK-Chef Jens Baas und dem Gebot, dass ich als Patient:in der Nutzung meiner Daten in der ePA (und darüber hinaus anonymisiert zum Beispiel für Forschung) explizit zustimmen muss. Und ich glaube, dass wir auch beim Datenschutz Zwischenlösungen, auch einmal statt schwarz-weiß einen Hellgrauwert akzeptieren müssen, solange dann weiß gewaschen wird. Oder gibt es nur den absoluten Datenschutz. Anders herum: Datenschutz sollte und darf kein totaler Roadblocker und endloser Verzögerer oder Bremser für Digitalisierung sein. Hier sollten durchaus Zwischenschritte möglich sein, solange das Ziel des sauberen Datenschutzes nicht nur im Visier bleibt, sondern realisiert wird. Hier spielen Datenschützer für mich die wichtige Rolle des Aufpassers, aber eben nicht des Blockierenden. Vielleicht trügt ja auch mein Eindruck, aber im Bereich Gesundheitswesen wünsche ich mir aus ganz persönlichem Interesse als Patient die bessere Nutzung meiner Daten, die mir gehören, damit ich besser behandelt werde.

(Stefan Pfeiffer)

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